Ja, das kommt sehr häufig vor, denn Täter und Täterinnen setzen alles daran, dass Eltern ahnungslos sind, keinen Verdacht schöpfen und ihnen vertrauen – im Zweifel sogar mehr als dem Kind oder der*dem Jugendlichen. Täter und Täterinnen manipulieren Mutter, Vater oder andere Bezugspersonen und suchen gezielt nach Möglichkeiten, um mit dem Kind oder der*dem Jugendlichen alleine zu sein.
Selbst bei Missbrauch innerhalb der Familie bekommen andere Familienmitglieder oft nichts mit. Wenn beispielsweise der Partner einer Mutter das Kind missbraucht, ist seine zentrale Strategie, die Wahrnehmung der Mutter zu täuschen. Denn sie ist eine potentielle Gefahr für ihn. Die Vertuschung fällt ihm häufig nicht schwer, denn wenn sie ihrem Partner vertraut und nicht mit solchen Taten rechnet (und normalerweise auch nicht damit rechnen muss), wird sie leicht Anzeichen übersehen oder fehldeuten.
Täter und Täterinnen zielen vielfach darauf, eine vertrauensvolle Kommunikation zwischen den Kindern und ihren potentiell schützenden Elternteilen zu unterbinden. So verbergen manche Kinder die Taten beispielsweise vor ihrer Mutter, um sie zu schonen oder weil sie befürchten, dass die Familie dadurch zerstört wird.
Wenn man Anzeichen oder Hinweise wahrnimmt, die man lange übersehen hat, ist es entscheidend, diese Wahrnehmung jetzt zuzulassen. Selbstvorwürfe, dass man bisher blind war, dass man „versagt“ habe, dürfen nicht dazu führen, den Gedanken weiterhin wegzuschieben. Jedes Hinsehen, egal wann, ist die Voraussetzung dafür, dass sexuelle Gewalt beendet werden kann.